Gerhard Mercator

Es ist das Jahr 1541 – eine spanische Galeone fährt über die stürmische See. Da entdeckt einer der Matrosen eine tückische Anomalie, auf die das Schiff genau zusteuert. Das Wasser kräuselt sich und weiße Schaumkronen tanzen auf den Wellen. Riesenhafte Wogen peitschen hunderte Wassertopfen empor, die tosenden Wassermassen beschwören ein lautes, nicht enden wollendes Donnern herauf. Es sieht beinahe so aus, als täte sich ein breiter Wasserfall vor dem Schiff auf, nur dass sich dieser inmitten des Meeres befindet. Die abergläubischen Seeleute geraten in Panik. Sie setzen die Segel und versuchen in die entgegengesetzte Richtung zu steuern. Doch der Sog des Wassers reißt das Schiff fort. Erst jetzt wird den Matrosen ihr Schicksal bewusst: Sie sind an den Rand der Welt gesegelt und stürzen in die dunkle Untiefe, die die ganze Erdscheibe umgibt. Sie schreien und zetern, einige beten, andere fluchen. Einer versucht sogar das letzte Mal in seinem Leben zu onanieren. Nichts hilft.
Doch plötzlich erfindet Gerhart Mercator den Globus. Die starren Ränder der Erde wölben sich nach unten. Die scheibenförmige Welt wird zu einer Kugel. Das Meer glättet sich und das Wasser, das eben noch in die Tiefe stürzte, wird jetzt zu einem gigantischen Ozean, der beinahe die komplette Erdkugel umgibt. Mit einem Mal ist es still an Bord der Galeone. Die Matrosen die gerade lauthals um ihr Leben gebangt haben, sehen sich schweigend an. Dann ergreifen sie denjenigen, der versucht hat sich einen runter zu holen, ziehen ihm einen Sack über den Kopf und werfen ihn über Bord, da er gegen die guten Sitten verstoßen hat.

Ja, so war das damals eben.

Gerhart Mercator, in Duisburg allgegenwärtig, der vermeintliche Erfinder der Weltkugel, Namenspatron der Mercator-Grundschule, der Mercator-Halle, des Mercator-Platzes, des Mercator-Mineralwassers, des Mercator-Brunnens, der Mercator-Sonderausstellung, des Mercator-Verlages, des Mercator-Gymnasiums, der Mercator-Haltestelle, der Mercator-Insel, des Mercator-Waisenhauses für manisch-depressive Künstlerkinder, des Mercator-Schlachthauses, der Mercator-Bodysuits für Sie und Ihn, der Mercator-Waschlappen, der Mercator-Antiaging-Creme, der Mercator Hinkelstein GmbH und Co. KG und der komischen globusförmigen Nudeln mit dem Namen Mercatorlini.
Wer hätte gedacht, dass dieser strahlende Held, der die Erde für uns rundete, sodass die niemand mehr hinunterpurzeln kann, in Wirklichkeit überhaupt nicht aus Duisburg stammte, sondern aus einem Kaff aus Belgien, das heute an der niederländischen Grenze liegt. Sein Name war auch nicht Mercator, sondern De Kremer, und den Globus hat er auch nicht erfunden.
Ja, ja so sieht die traurige Wahrheit aus.

Warum heutzutage niemand die Geschichte kritisch hinterfragt sollte verwundern. Denn eigentlich müsste man Gerhart Mercator postum abschieben. Was will Duisburg bitteschön mit einem niederländisch/belgischen Religionsflüchtling? Ich habe darauf keine Antwort. Aber wenn er schon nicht abgeschoben wird, dann sollte man doch wenigstens alle Mercator-Schulen und sonstige Namenspatenkinder wieder in De Kremer umbenennen und dann am besten eindeutschen. Die Krämerschule – klingt doch hübsch oder? Na gut, nicht unbedingt hübsch, aber deutsch. Außerdem passt es zum Stadtkonzept, denn es gibt ja doch eine ganze Menge 1-Euro-Krämerläden in der sonst so kahlen Innenstadt. Doch so etwas wird die Propagandaabteilung unserer Stadt sicher nicht gutheißen. Der ehemalige Kulturdezernent Karl Janssen nannte Mercator jedenfalls in einem Interview mit der WAZ einen „Sohn der Stadt“. Ich weiß nicht woher Karl Janssen seine Kinder sonst so her bekommt. Vielleicht hat er ja auch einige aus China vertriebene tibetische Mönche bei sich zuhause aufgenommen oder einen halbverhungerten Sohn aus Eritrea adoptiert. Kinder ohne Sex, genau das richtige für einen keuschen CDU-Politiker. Außerdem haben Angelina Jolie und Brad Pitt ihre Familie ja nach einem ähnlichen Konzept zusammengestellt. Aus jedem Teil der Erde ein Kind. Das ist Globalisierung. Das ist modern. Und modern kann die CDU gut gebrauchen.
„Hallo Karl Janssen habt ihr auch schon einen Eskimo?“
„Nee Angelina, aber dafür haben wir zwei Aborigines.“
„Oh, wollt ihr einen Aborigine gegen einen Mohawk tauschen?“
„Gerne, gerne, ich habe gehört die sind vom Aussterben bedroht. Immer her damit, damit kann ich meine politischen Nachbarn ärgern. Wenn sie sehen, wie liberal und weltoffen ich bin, werden sie vor Neid platzen. Die haben nämlich nur einen türkischen Facility Manager der Cem Özdemir heißt.“

Auch der gegenwärtige Duisburger SPD-Oberbürgermeister Sören Link und das Syndikat, das er hinter sich installiert hat, machen keine Ausnahme. Zelte müssen her, die Exoten – wenn auch nicht eingeladen – sollen sich schließlich zuhause fühlen. Sören Link ist es egal ob es sich um Syrer, Sinti und Roma oder Indianer handelt – solange er im Winter in seinem gut geheizten Rathaus sitzt.
Denn anders als Brad Pitt und Angelina Jolie nimmt Sören Link für seine Schutzbefohlenen nicht sehr viel Geld in die Hand. Warum auch? Es sind ja nicht seine Kinder.
Wenn irgendeiner der Asylanten eine tolle Erfindung macht oder später damit in Verbindung gebracht wird, kann er ja immer noch postum von der Stadt adoptiert werden wie Gerhard Mercator. Also vielleicht in vierhundert Jahren. Und dann benennt man sicherlich auch eine Straße nach dem bis jetzt anonymen Einwanderer. Dann kann Sören Link ihm postum gratulieren. Und beide werden postum die Mercatorstraße entlangfahren und danach die Straße, die nach dem Asylanten benannt wurde. Und beide werden dann postum darüber lachen, dass Sören Link ihn damals in einem Zelt unterbringen wollte. Und beide werden postum Mercatorlinis zusammen essen. Und Sören Link wird vielleicht postum als guter Bürgermeister in Erinnerung bleiben, genau wie Gerhard Mercator als Sohn der Stadt und als Erfinder des Globuses in Erinnerung geblieben ist.

Ihr Benjamin Bäder